Immer & ewig – aber bitte nicht mehr zu lange so erfolglos

von 23.November 2025National League

Der SCB festigte heute Abend seinen Rang 13. Was ironisch oder gar zynisch tönen mag, ist leider aktuell bittere Wahrheit. Auf den 14., Ajoie, hat man 8 Punkte Vorsprung, der Rückstand auf Platz 12 beträgt aber auch schon 4 Punkte. Hier folgt der Versuch, der schlechten Situation glossenartig, also unterhaltend, geistreich und auch etwas witzig zu begegnen. 

Der Chronist hat heute entschieden, einen gemischten journalistischen Text  zu schreiben. Einen Mix zwischen Spielbericht und Glosse. Im Journalismus ist eine Glosse ein meist kurzer und pointierter, oft satirischer oder polemischer Meinungsbeitrag zu aktuellen Ereignissen. Der heutige Mix wird etwas länger als eine übliche Glosse. Fangen wir mit einer kleinen Polemik an. Vor dem Spiel wurden Tristan Scherwey – er fehlte heute verletzt – für 900 Spiele geehrt. Eine grossartige Karriere. Und dann ehrte der SCB auch Fabian Ritzmann für 200 Spiele. Was einen Spassvogel auf der Medientribüne zur Frage bewog, ob denn 200 Spiele genug seien, um eine Ehrung zu rechtfertigen.

In der Situation, in der sich der SCB heute bewegt, darf man auch kleine Zahlen ehren und sich darüber freuen. Schliesslich darf sich Hardy Häman-Aktell auch freuen, nach 24 Spielen und gerade mal 12 Scorerpunkten (11 Assists, ein Tor) das Berner Topscorer-Shirt zu tragen. Mit genau 0.5 Punkten pro Spiel ist man bei Bern Topscorer. Das zeigt eines der Probleme des SCB in schonungsloser Deutlichkeit auf. Gegner heute war der HC Davos, was auch nicht grad die grosse Zuversicht aufkommen liess. Bern hat 27 Punkte, Davos deren 58. Mehr als doppelt so viel.

Matej Stransky, der Davoser Topscorer seinerseits weist nach 23 Spielen 30 Scorerpunkte auf. 16 Tore und 14 Assists. Präzis 2.5 mal mehr Punkte als der Berner Topscorer. Bern hat bisher insgesamt 52 Tore erzielt, Davos deren 93. Nur Ajoie (50 Tore) hat bisher weniger Tore erzielt als die Mutzen. Insofern stimmt die Tabelle aktuell ganz gut. Bern ist auf Rang 13, Ajoie auf der 14. Das erste Drittel der heutigen Partie bot dann beidseits magere Kost. Nur in Überzahl zog Davos ein schönes Powerplay auf. Ohne allerdings wirkliche Gefahr vors Berner Tor zu bringen.

Und so konnte man in Bern – besehen die vorgenannten Statistiken – so richtig froh sein, dass das erste Drittel 0:0 endete. Ein erstes Drittel, das für 20 effektive Spielminuten nur insgesamt 25 Minuten gedauert und zusammengezählt eine echte Chance geboten hatte. Das Gesetz der kleinen Zahlen setzte sich fort. Und Davos machte bisher freundlicherweise mit. Davos, das übrigens anlässlich der Medienkonferenz, die jeweils 30 Minuten vor Spielbeginn stattfindet, mit Abwesenheit glänzte. Wobei, nein, eigentlich war Davos da. Jan Alston, der Davoser Sportchef, sass zurückgezogen und ruhig in einer Ecke des Medienraumes. Warum er nichts sagen mochte, muss offen bleiben.

Berner Fans sind leidensfähig, um nicht zu sagen leiderprobt. Es dauerte bekanntlich zwischen 1986 und 2028 ganze 32 Jahre bis YB wieder mal Meister wurde. Als Berner hat man das stoisch ertragen. Und insofern wirft es den Fan auch nicht aus der Bahn, wenn der SCB nun seit 2019, also seit 6 Jahren kleinere bzw. aktuell immer kleiner werdende Brötchen backen muss. Trotz der auch heute ehr mageren Kost waren die Berner Fans – vorderhand zumindest – zum Singen aufgelegt. Was möglicherweise damit zusammenhing, dass viele von ihnen zuvor auf der anderen Strassenseite am YB Match waren. YB hatte Winterthur gleich mit 5:0 besiegt. Was die Herzen trotz den minus 5 Grad im Wankdorf Stadion etwas erwärmt hatte.

Von solch vielen Toren pro Partie kann der SCB zur Zeit nur träumen. „Wir schiessen zu Hause keine Tore, deshalb ist es momentan schwierig, Positives zu finden.“, resümierte Louis Füllemann nach dem Spiel. Warum heisst Bern eigentlich Bern und warum ist das Berner Wappentier und auch jenes des SCB ein Bär? Die bekannteste Legende besagt, dass Herzog Berthold V. von Zähringen die Stadt nach dem ersten erlegten Tier benannte, das ein Bär war, weshalb der Bär zum Wappentier wurde. Eine andere Theorie besagt, dass der Name von einem Helden der germanischen Sage, Dietrich von Bern, stammt, der eine Verbindung zur norditalienischen Stadt Verona haben soll.

Orientieren wir uns  bezüglich der Namensgebung doch an der zweiten, weniger tödlichen Theorie. Auf dass der SCB dereinst wieder Helden hervorbringen möge. Wann *dereinst“ sein wird, muss heute unbeantwortet bleiben. Und den Berner Fans ist es auch egal, wenn ihre zukünftigen Helden keine Verbindung zu Verona haben werden. Einer, der als potenzieller Held zu Bern gekommen ist, ist übrigens Miro Aaltonen. Er kam aus Kloten nach Bern und kann mit seinen bisherigen Null Toren in dieser Saison trotz seinem Kommen aus der Flughafenstadt nicht als Überflieger bezeichnet werden.

„Dir heit o i däm Drittu kes Goal verpasst“, resümierte der Stadion-Speaker zutreffend. Die Diätkost fand ihre Fortsetzung. Und 19 Sekunden nach Beginn des dritten Drittels wurde es für Bern noch magerer. Enzo Corvi brachte die Landwassertaler in Front. „Muesch i dim Bricht dr Plüss zitiere, de musch nüt schribe“, meinte ein Spassvogel in der Pause zum Chronisten. Eine ironische und auch etwas polemische Bemerkung, die gut in eine Glosse passt. Wobei man auch nicht wirklich wüsste, was der – zuweilen so genannte – Obersportchef des SCB zur aktuellen Situation sagen könnte.

16’002 Zuschauerinnen und Zuschauer waren heute zugegen. Endlich mal eine grosse Zahl. 11’400 mehr als am Dienstag am Champions League Spiel. Auch das eine grosse Zahl. Doch beide Zahlen haben nur wenig Relevanz in der aktuellen Situation. Nach der Entlassung von Jussi Tapola hatte sich der Berner Sportchef Martin Plüss letztmals zu Wort gemeldet: «Leider mussten wir feststellen, dass die sportliche Entwicklung seit Saisonstart nicht unseren Erwartungen entspricht». Heute, in der 51. Minute erhöhte Chris Egli für Davos zum 0:2. Irgendwie konnte Plüss auch heute Abend problemlos schweigen. Dass die sportliche Entwicklung nicht den Erwartungen entspricht, hatten alle Anwesenden gesehen, auch ohne dass es jemand gesagt hätte.

Insofern ist die nun folgende Polemik unvermeidbar. Bei der Entlassung von Jussi Tapola war der SCB auf Rang 11. Heute ist er auf Rang 13. Mit 4 Punkten Rückstand auf Rang 12. Der Trainer muss in einer solchen Situation zum Thema werden. Denn Heinz Ehlers hat nicht nur den Turnaround nicht geschafft, nein, die Situation ist noch dramatischer als sie sich am 1. Oktober, bei Tapolas Entlassung präsentierte. „Mir wei gseh, üse SCB“ tönte es von den Rängen. Ob Ehlers der Richtige ist, um „üse SCB“ zurück zu bringen, ist fraglich. „Es isch no nid Zibelemärit“, argumentiert ein Bekannter des Chronisten jeweils, wenn die Frage nach einer Trainerentlassung in den Raum stellt. Zibelemärit ist am Montag. Einen Trainer haben die Berner bereits entlassen. Der zweite dürfte sich zumindest über den Zibelemärit retten.

Machen wir kurz Pause von der Glosse und lassen Louis Füllemann zu Wort kommen.  „Im ersten und zweiten Drittel war es recht ausgeglichen. Im dritten Drittel haben wir nach dem Gegentor den Tritt leider nicht mehr gefunden.“  Bern hat jetzt innerhalb 24 Stunden zweimal verloren. Gestern gegen Kloten waren vielleicht nicht alle voll bei der Sache. „Aber heute kann man niemandem vorwerfen, nicht gewollt zu haben“, konstatierte Füllemann.

Der SCB ist in der Krise. Was macht ein Team, was tut ein Spieler in dieser Situation? Nochmal Louis Füllemann. „Viel reden miteinander und Videos schauen. Wir haben schon viel zusammen geredet, aber irgendwie will es noch nicht so richtig.“  Im dritten Drittel – und hier endet die Glossen-Pause – prügelten sich der Davoser Dahlbeck und der Berner Marchon. Und beide wurden folgerichtig mit 5 Minuten und Restausschluss in die Garderobe geschickt. Offizieller Grund für die beiden Strafen: „Fighting“. Falsch gekämpft. Manch einer der mittlerweile deutlich leiser gewordenen Fans dürfte sich gewünscht haben, dass deutlich mehr spielerisch gekämpft wird. Und man würde sich auch wünschen, dass es beim SCB nicht so ist, wie es ein Fun Fact über die Bernerinnen und Berner erzählt. Wir seien langsam, gemütlich und – immerhin – sympathisch. Aber eben vor allem langsam.

1.354 Meter pro Sekunde ist die durchschnittliche Gehgeschwindigkeit der Bernerinnen und Berner. Dies macht Bern gemäss Studie zur langsamsten, aber vielleicht auch gemütlichsten Stadt der Welt. Auch beim Sprechen lassen wir uns gerne Zeit. Fünf Silben kommen Bernerinnen und Berner pro Sekunde über die Lippen – beim Rest der Schweiz sind es sechs. Bern ist übrigens nicht die grösste Stadt der Schweiz, das ist Zürich. Trotzdem ist Bern seit 1848 die Bundeshauptstadt. Vielleicht weil Bern geographisch zentral gelegen ist. Zentral und im Westen von Zürich. Oder um mit Züri West zu enden: „Irgendeinisch fingt ds Glück eim“. Die Fans des SCB wünschen sich das sehr.

Best Player
Bern: Nils Rhyn
Davos: Enzo Corvi

SC Bern – HC Davos 0:3  (0:0 |0:0 | 0:3)

Tore:
0:1| 21.| Enzo Corvi (Nussbaumer)
0:2| 51.| Chris Egli (Zadina)
0:3| 59.| Enzo Corvi (Fora)

Zuschauer:
16’002 Zuschauer
Postfinance Arena

 

Foto: Roman Badertscher